Purple Pain

Oblomow, denn mit dem sind wir ja noch lange nicht fertig, hat zwischendurch ein Aktivitätshoch. Verantwortlich dafür zeichnet sein Freund Stolz, deutscher Abstammung väterlicherseits, Russe mütterlicherseits. Stolz treibt den Oblomow aus seiner Lethargie hoch, raus aus dem Bett, raus aus der Wohnung, mitten ins Verliebtsein gar. Über Stolz erfahren wir zudem ein wenig von der russischen Seele gehobener Kreise und wie diese die Deutschen sieht, Mitte des 19. Jahrhunderts. Bevor ich gleich erneut zum Schutzblechrad komme, wollen wir uns eben betrachten, wie Stolzens Mutter, besorgt dass  der deutsche Vater ihren kleinen Prinzen nicht genug verzärtelt, das beschreibt:

„Ihrer Meinung nach gab es und konnte es keinen Gentleman innerhalb der deutschen Nation geben. Sie konnte im deutschen Charakter nirgends jene Weichheit, Zartheit, Zuvorkommenheit finden, kurz, nichts davon, was das Leben in der guten Gesellschaft so angenehm gestaltet, wodurch sich eine beliebige Regel umgehen, ein Gewohnheitsrecht brechen und ein Gesetz nebenher beobachten lässt. Menschen [nur für grobe Arbeit geschaffen, für fleißig arbeitsamen Gelderwerb, banale Ordnung, langweiliges Regelmaß im Leben und pedantische Pflichterfüllung.“

Weil ich mir das nicht vorhalten lasse, rücke ich beim Schutzblechrad von den bisherigen Gepflogenheiten ab. Es wird nicht zwischen Frühstück und Abendbrot fertiggestellt. Stattdessen: Ein wenig hier, ein wenig da. Morgen ist auch noch ein Tag. Es wird schon werden. Man merkt’s, dem kreuzbuben fehlt ein wenig der Antrieb, ein Urlaub wäre vonnöten, aber nicht absehbar, und so wird hinsichtlich der beiden fertigzustellenden Räder niemand in böser Absicht auf die Folter gespannt; es dauert eben, so lange es dauert, derzeit. Der gebremste Tatendrang kommt allerdings nicht ganz freiwillig zustande.  In den nach Kategorien beschrifteten Kartons mit den Fahrradteilen fehlt eine Lagerschale. Es ist zum Haareausraufen! Normalerweise wäre das kein Problem, kauft der kreuzbube eben kurzerhand neue Schalen oder ein komplettes Innenlager.  Hier jedoch steht der createur de velo im Regen, denn benötigt wird ein französisches Innenlager 35 x 1. Nichts ist es mit dem sofortigen Kauf, das worldwideweb muss durchforstet werden, dort bevorzugt die Schweiz, Frankreich und die USA. Zu betrachten gibt es daher einstweilen nur diese kleine Galerie. Die Beschriftungen sind angebracht, der Steuersatz wurde in bewährter Manier mit dem kreuzbuben-Spezialwerkzeug eingepresst und die geflutete Sattelstütze von Kreuzbubenhand mit dem Pinsel koloriert. Zudem sehen wir den Entwurf des Steuerkopfaufklebers, der derzeit in Arbeit ist, allerdings ganz anders aussehen wird… 😉

Dieser Beitrag wurde unter kreuzbube liest, kreuzbube schraubt abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

10 Antworten zu Purple Pain

  1. cut schreibt:

    Gold kann ich empfehlen. Macht sich gut in der Stadt. Aber wie auch immer. Sieht richtig gut aus!

    • kreuzbube schreibt:

      Ja, ich denke, das wird ganz brauchbar aussehen. Man glaubt übrigens gar nicht, wie sehr Kleinkram, der fehlt, alles ins Stocken geraten lassen kann. Hier eine Kurbelarmschraube, da ein Klemmbolzen für die Sattelstütze… oder auch nur die gezackten Unterlegscheiben für die Befestigung der Bremsen, die plötzlich nicht auffindbar sind… ganz zu schweigen von Endhülsen für Zughüllen, die nur silbern statt golden in der Werkzeugkiste sind…

  2. kreuzbube schreibt:

    Und das sind nur die Telefonknipsbilder… ludengold… hm… ich könnte vielleicht die Schutzbleche… nein, ein paar goldene Radschuhe, signiert von René Weller!

  3. prieditis schreibt:

    Sehr, sehr schick! Ich bin froh, daß es nicht ludengold-metallic wurde ;o)

  4. kreuzbube schreibt:

    Der Lack besteht aus drei Schichten. Die erste ist die Grundfarbe, in diesem Fall candy purple. Dann kommen die Goldpartikel darüber. Am Schluss, wie immer, der Klarlack. Erst der gibt den richtigen Glanz, ohne ihn sieht es noch recht stumpf aus.

    Die Schriftart am Unterrohr ist die von Blade Runner.

    Ansonsten stocken die Arbeiten ein wenig. Das französische Innenlager konnte ich in den USA auftreiben, da dauert der Versand etwas länger. Bei den anderen Komponenten bin ich nicht bereit, die aberwitzige Preisentwicklung mitzugehen. Die Leute zahlen Summen für ältere Mittelklassekomponenten, da bin ich sprachlos. Das das Rad aber mein „Zehnerprojekt“ ist, will ich das auch durchziehen und ggf. länger warten.

    • mark793 schreibt:

      Ach ja, Blade Runner. *andieStirnpatsch* Der Peugeot-Schriftzug, den ich meinte, sieht doch etwas anders aus. Was die Preisentwicklung für Komponenten angeht: Ich verfolge das ja nicht so genau, habe aber auch den Eindruck, das Preisniveau hätte stark angezogen. Als ich seinerzeit die Kiste mit 600er-Zeugs für die Umrüstung von Sir Walter aus der Bucht fischte, musste ich schon schlucken. Aber heute müsste ich wohl allein für die STIs deutlich tiefer in die Tasche greifen.

      • kreuzbube schreibt:

        Mittlerweile sind einige anscheinend völlig plemplem geworden. Da werden bisweilen für altes Gelumpe Preise bezahlt, bei denen man sich nur an den Kopf greift. Offenkundig ist mittlerweile alles ein „Kultteil“. Dabei reden wir von Fahrteilen, von Massenprodukten und nicht von seltenen russischen Ikonen usw.
        Komplette Räder hingegen gibt’s immer wieder mal relativ günstig, wenn der Verkäufer zwei linke Hände hat und es einfach nur loswerden will. Da muss man sich nicht wundern, wenn die Räder dann geschlachtet und in Teilen verkauft werden.

        Gut, dass es mir ziemlich Schnuppe ist, was eigentlich dran und zusammen „gehört“. Ich brauche nicht viel und kombiniere einfach alles möglich so, dass es funktioniert. Bei dem Innenlager jedoch habe ich halt keine Wahl, der Gewindetyp gibt es vor.

  5. mark793 schreibt:

    Was für eine geile Farbe! Zitiert der Schriftzug auf dem Unterrohr typographisch das PEUGEOT der frühen 90er Jahre?

  6. kreuzbube schreibt:

    Bluthochdruck grassiert mittlerweile aber in allen zunehmend fettleibigen Staaten. Und Diabetis nimmt rasant zu, hierzulande hat in manchen Altersgruppen schon jeder 5. (!) Zucker. Es gibt sogar Schätzungen, dass es bis 2030 in Europa 100 Millionen Menschen mit Diabetis geben wird.

    Schön, dass die Kloschüssel fertig ist. Ich nenne Dich dann künftig Al Bundy, der hat seine Zeit auch am liebsten darauf verbracht.

  7. justbiking schreibt:

    Die Wahrnehmung des Deutschen im Allgemeinen und im Besonderen ist exakt diese, wie oben geschildert. Da hat sich nichts dran geändert. Auch heute, fast klingt es wie ein billiges Klischee, wird der Teutone, ob seinem notorischen Mangel an Lebensfreude verlacht, aber hingegen hochgeschätzt wegen seiner pedantischen Ordnung, seiner Strebsamkeit und vieler weiteren Eigenschaften. Seiner Arbeitswut zum Beispiel, die er, der Deutsche, aber teuer mit seiner Gesundheit bezahlt. So gibt es die morbus germanicus, oder die German Disease, einer, in unseren Land verbreitete Blutdruckerkrankung.
    Und ich habe den halben Tag im schummrigen Licht des Kellers verbracht, dem letzten echten Refugium des Mannes. Ja, es ist vollbracht! Ein Crosser wurde geboren: 8,8 kg und einen Namen habe ich auch schon. Kloschüssel soll er heißen, wegen seinem unverwechselbaren Sanitärweiß.

Hinterlasse eine Antwort zu kreuzbube Antwort abbrechen