Concours des Corbeaux, oder: Die Spur der Steine. Vorabend und Prolog

1813„Früher begann der Tag mit einer Schusswunde“, schrieb Wolf Wondratschek. Heuer beginnt der Tag mit einem Kuchen von don ferrando; einem selbstgebackenen, wohlgemerkt.

cdc_1Den hatten wir auch über den Wohlgeschmack hinaus nötig, denn all das hier, alle vier Himmelsrichtungen des Leipziger Stadtgebiets und des Leipziger Umlands, Stätte der zum 200. Jahrestag allgegenwärtigen Völkerschlacht von 1813, haben wir mit dem Rad abgefahren, haben wir erfahren:

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Mehr als 70 Kilometer kreuz und quer durch das Stadtgebiet und um die Stadt herum sind wir am 30. und 31. August 2013 jeweils gefahren, haben die 50 Apelsteine gesucht und gefunden und an jedem eines der 50 von Eric Prieditis gemalten Bilder hinterlassen und bisweilen auch versteckt. Der rasante Künstler hat es sich nicht nehmen lassen, mit dem kreuzbuben am Freitag wie auch am Samstag noch ein zusätzliches Zeitfahren einzubauen und dadurch die jeweilige Wegstrecke um weitere 20 km auszudehnen. Wie schon im Frühjahr in Düsseldorf ließen wir uns auch eine Nachtfahrt nicht nehmen und von all dem will ich in den kommenden Tagen sukzessive berichten.

Vorabend und Prolog

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Am Vorabend der ersten Tages auf der via apia hieß es, die Marschroute noch einmal abzustecken und die Bilder anzuschauen, denn außer dem Künstler hatten wir, die anderen Mitwirkenden, sie ja bislang nur auf Fotos gesehen. Dann wurden die 50 Bilder in die Tornister, Rücksäcke und Körbe der Teilnehmer verpackt und wir haben versucht, noch wenige Stunden Schlaf vor den Strapazen der kommenden Tage zu finden. Wir bewegten uns ja im historischen Kontext, und keiner hatte vorher gesagt, dass es leicht werden würde.

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Morgens dann zunächst der Prolog für die Medien, gefahren von Eric Prieditis und mir. Wir erinnern uns: 1813 war’s, da befand sich der Führer der Franzosen bei seinem Versuch, die Welt zu erobern, schon auf dem Rückzug. Der Russlandfeldzug war nicht wie erwartet verlaufen, was nicht zuletzt gewissen Irrtümern über den russischen Winter geschuldet war. Auf der Transitstrecke Moskau-Paris gab es einen Zwischenhalt in Leipzig und dort setzte es im Oktober für den Weltenherrscher gehörig Dresche vom überwiegenden Rest der kontinentalen Welt; Russen, Preussen, Österreicher, Schweden versetzten den Franzosen eine Abreibung, die sich gewaschen hatte. Die Äcker rund um Leipzig wurden für die Folgejahre gut gedüngt, von den 600.000 angereisten Teilnehmern des Spektakels blieben kurzerhand etwa 90.000 auf Dauer in der Leipziger Tiefebene, wo sie ihren Ruheplatz fanden, was seinerzeit neuer Rekord war. Ein Festmahl für die Raben, les corbeaux, war’s, die sich so richtig satt fressen konnten an all jenen, die in den Graben fielen. 44 Steine hatte der Leipziger Kaufmann Dr. Theodor Apel in den Jahren 1861 – 1864 als Zeugnisse an die Kämpfe der Völkerschlacht aus Granit und Sandstein errichten und über das Stadtgebiet verteilt aufstellen lassen. Die restlichen Steine wurden später von Leipziger Vereinen hinzugefügt. Alle 50 Steine wollten wir abfahren und dort die über Monate entstandenen 50 Bilder hinterlassen, Kunst, Geschichte, Stadterkundung und Radfahren verbinden, zu Lipsia am 30. und 31. August 2013.

cdc_lvzDie Völkerschlacht ist anlässlich des 200. Jahrestags des großen Gemetzels seit Monaten in Leipzig präsent, fast täglich auf die eine oder andere Weise. So selbstredend auch in der Leipziger Volkszeitung (LVZ), mit der wir für den Freitagmorgen einen Termin vereinbart hatten, bevor unsere Tour de Force beginnen sollte. Wir bedanken uns an dieser Stelle für das freundliche Gespräch mit Ulrike Witt von der LVZ und bei dem gutgelaunten André Kempner, der für die Fotos in unserer Tageszeitung verantwortlich zeichnet. Die LVZ hat Anteil am wichtigen weiteren Aspekt unseres Vorhabens, denn wir wollten den Leipzigern ja etwas mitbringen. Die 50 Bilder waren für alle gedacht, die an diesen Tagen einen Blick auf die Apelsteine werfen würden und an oder um sie herum versteckt eins der Bilder entdecken sollten. Man darf sie anfassen, die Bilder, einstecken, mitnehmen, behalten -oder auch selbst wieder eines Tages aussetzen, an welchem Ort auch immer. Die LVZ ist viel gelesen und wird dafür gesorgt haben, dass teils, wie wir hörten, schon am zweiten Tag einige der Bilder neue Besitzer gefunden hatten. Dann ging es los, der Concours des Corbeaux begann.

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zur Fortsetzung.

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20 Antworten zu Concours des Corbeaux, oder: Die Spur der Steine. Vorabend und Prolog

  1. kreuzbube schreibt:

    @prieditis, ich habe da ein Foto, also wenn ich das an die Behörden weitergebe, Bart und Waffe in Kombination, das sollte für einige Tage Kerker reichen…

    @fritz: Wirst Du herausfinden, ob es beim vierten Mal immer noch mies ist…?

    • fritz_ schreibt:

      Die Frage ist eher: wird die Gewissheit, dass es auch beim vierten Mal mies sein wird, mich davon abhalten? 🙂 Antwort: ja. Man darf sich von miesen Lufthut-Kneipen auch nicht endlos verarschen lassen. wär‘ ja doof.
      (Es ist nun nicht so, dass es an Einkehrzielen mangeln würde in der Sommersaison.) Der drei Fahrradminuten und zehn Meter Ruderfähre entfernt liegende Stehimbiss am Boddenhafen („Matjes und Pils oder Pils und Matjes?“) ist wunderbar und genau räudig genug.
      Von der Treppe hoch von Meereshöhe zur Hasskneipe auf 30 m, das glaubst du nicht, da war noch eine schöne Story, also ich auf der Treppe mit dem Fahrrad geschultert, barfuss, weil ich vorher in den Bodden gefallen war, und dann kam, hahaha, brüll, … Aber das ist eine andere Geschichte.

  2. fritz_ schreibt:

    Jwd, am Nordostende von das BRD, vorgestern gelesen: „Der Häusler Johann Friedrich Möller wurde 1813 als Sohn einer Mönchguterin und eines dort stationierten französischen Soldaten geboren. Seine Herkunft widerspiegelt die Geschehnisse der Zeit.“ Das Haus, das jener Möller 1841 gebaut hat, gibt es noch. Die Familie betreibt oberhalb des Dorfes einen Gasthof http://www.moritzburg-ruegen.de/index.html, abartig geil gelegen, aber von der Sorte heute wegen Reichtum keine Lust (neureiche Zonis, schlimme Baggage).
    Die soll der Blitz beim Scheißen treffen War über mehrere Jahre dreimal da, war dreimal schlecht, Standort 1+, Service 4-. Off off off topic.

  3. kreuzbube schreibt:

    München, München…? Ach ja, diese Siedlung da unten in dieser einst napoleonischen Region… Viel war da ja nicht los. Außer einer Sache, die eine Idee weckt, welche ich hiermit gleich selbst schütze: Andreas Hofer und der Aufstand der Tiroler.

  4. Niels schreibt:

    Eine großartige Idee!
    Nun überlege ich, was man dergleichen in München machen könnte. Toll.
    Danke.

  5. kreuzbube schreibt:

    Hey, hallo! Da werde ich gleich ganz fidel. Es wird noch zwei weitere Teile des Berichts über Unterfangen geben.

  6. frau bona schreibt:

    ich bin ehrlich beeindruckt und danke euch für die tollen berichte und fotos der aktion!!

  7. kreuzbube schreibt:

    Harpune?!
    Zugenommen??!!

    Jetzt, nach dieser Tour, könnt ihr bestimmt verstehen, warum ich nicht alle Steine vorher abgefahren habe. Auf diese Weise war es nämlich für mich das Gleiche wie für euch, ein Erlebnis, das im Zusammenspiel Spaß gemacht hat.

    Wir könnten Dir, falls es mit Deinem nächsten Leipzigaufenthalt klappt, gerne die weitere Westumfahrung zu den Schlachtfeldern des Frühjahrs 1813 zeigen. Eine sehr schöne Tour ist das.

    Ich wünsche Dir gute Erholung am Meer, wenn’s mit dem Harpunieren nicht klappt , hast Du die zwei Kilo ja bald wieder runter… ;.)

  8. fritz_ schreibt:

    Vielen lieben Dank noch mal, Caro und Kreuzbube, für eure Gastfreundschaft! Trotz der erfrischenden Ausfahrt mit ungewohnten Kilometerzahlen habe ich nach diesem Wochenende zwei Kilo mehr auf der Waage. WTF? 🙂
    Auch dem Herrn Künstler aus dem fernen Düsseldorf kann ich gar nicht genug danken. Obwohl ich Leipzig gut kenne, ist eine wilde, verwegene Fahrt ohne Navi von Apelstein zu Apelstein etwas ganz Besonderes. De facto entlang der Frontlinie und Stellungslinie des 15. bis 19. Oktober 1813, durch alle Stadtteile und Vororte, in personal presence of the artist, eine Offenbarung und eine ausgesprochene Ehre. Danke. 🙂
    Zusammen mit netten Leuten (c.o. auch dem schon erwähnten Don Ferrando), und mit Gesprächsstoff für Tons of Anekdoten.
    Kreuzbube, ich kann euch noch einige Fotos beisteuern, es dauert freilich noch ein paar Wöchelchen.
    Nachher starte ich für ein paar Tage ans Meer, mit Crosser und Bergrad. Bergrad ist nötig, weil es Gepäckträger hat und Seitentaschen für Strandzelt und Harpune und so. 🙂
    Take care, ihr Lieben!

  9. mark793 schreibt:

    Das Bild der beiden Aktiven mit Anzug und Sonnenbrille hat bisschen was von Blues Brothers, nach dem Motto, „wir sind im Auftrag des Herrn unterwegs“.

    Freue mich schon auf die weiteren Berichte – etwa über don ferrandos Triumph in der Bergwertung. Ob da leistungssteigernder Käsekuchen im Spiel war? 😉

    • kreuzbube schreibt:

      Exakt die Assoziation zu Jake und Elwood hatte ich beim Betrachten des Fotos dann auch. Zunächst hatte auch ich zum schwarzen Anzug und ebensolcher Krawatte gegriffen. (Wir waren ja in Sachen Völkerschlacht unterwegs und der Pressetermin war direkt vor einem Friedhofseingang) Dazu hatte ich aber keinen passenden Hut 😦

      Gerne hätte ich heute Abend schon die Fortsetzung geschrieben, aber ich bin so hoffnungslos übermüdet, dass ich nach eintippen des letzten Buchstabens dieses Kommentars ins Koma fallen werden.

      Plumps.

  10. kreuzbube schreibt:

    Tag zwei liegt hinter uns. Noch mehr Staub auf Ross und Reiter, aber wir waren auf allen Schlachtfeldern erfolgreich, haben -obgleich vom morgen bis in die Nacht hinein im Sattel- keine Verluste, keine Verletzungen und keine lahmenden Stahlrösser zu verzeichnen. Alles wurde für die Chronik im Bild festgehalten und ist bald zu sehen. Doch jetzt ziehen wir noch einmal los.

  11. cut schreibt:

    Den Wünschen schließe ich mich an. Los gehts!

  12. donferrando schreibt:

    Ich wünsche Euch einen spannenden ersten Tag heute.
    Mit Eierlikör, Cidre und belgischem Bier kann nichts schiefgehen!

  13. kreuzbube schreibt:

    Die Wegzehrung steht bereit, direkt aus dem Erzgebirge und sogar von der Tour de France Etappe. Für die recuperation gibt’s die lait concentré sucré. Menthe a l’eau aus der Trinkflasche, das wird auch für mich neu sein.

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