Concours des Corbeaux: Tag 1 auf der via apia

30. August 2013, Freitagmorgen, Großpösna bei Leipzig:
Was machen Sie denn da?
Das ist Kunst. Wir fahren mit dem Rad alle Apelsteine ab und…
Sie sind wohl arbeitslos?
***

cdc_31Vorab muss ich anmerken, dass Eric Prieditis und ich keine Einladungen verschickt haben. Wer Interesse hatte, konnte Initiative entwickeln, sich melden, mitmachen und war willkommen. Auf diese Weise hat das gut zusammengepasst. Soweit im weiteren Verlauf Eric und ich häufiger als die anderen zu sehen sein werden, hat das verschiedene Gründe. Nicht jeder möchte im Internet abgebildet werden, carodame war hinter und nicht vor der Kamera zu Gange und mit zunehmender Fahrdauer konzentrierten wir uns verstärkt auf die Suche – und der Fokus der Kamera lag mehr und mehr auf Apelsteinen und Bildern. Die Zeitfrage wurde zum limitierenden Faktor, wie wir am ersten Tag lernen sollten. 

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Im Vorfeld ließ es sich kaum abschätzen, wie lange wir brauchen würden. Die übliche Orientierung anhand der Kilometerzahl und der möglichen Geschwindigkeit schied aus. Da wurde gemeinsam gesucht, ausgepackt, Kordel an die Bilder getackert, über den genauen Aussetzungsort sinniert, geknipst, geplaudert, geraucht, wieder eingepackt, der Weg zum nächsten Stein anhand der Karte gesucht. So setzte sich das von Apelstein zu Apelstein fort.

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Freimütig räume ich ein, dass ich zu Beginn ein wenig den Spielverderber gegeben habe, indem ich an jedem Apelstein den baldigen Aufbruch zum nächsten anmahnte. Das nicht ohne Grund, nach zwei Stunden hatten wir gerade mal fünf oder sechs Steine mit Bildern bestückt und meine Hochrechnung für die kommenden 20 ließ mich darüber nachdenken, wann es denn dunkel werden würde. Eric Prieditis nahm mich beim Wort. Abgesprungen, das Rad geschultert, zum Stein hingerannt, das Bild abgelegt, weiter ging’s… so hätte es fast gewesen sein können … 😉

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cdc_27Wie schon angemerkt, haben wir in gewisser Annäherung an den historischen Kontext auf elektronische Navigation verzichtet und ich habe auch nicht im Vorfeld alle Apelsteine angesteuert. 1813 wussten sie teilweise nicht einmal, welche Armeen rund um die Schlachtfelder anwesend waren. Reiter unternahmen Erkundungen und überbrachten Nachrichten über die Lage. Vor allem aber wollte ich nicht dem Pfeil eines Navigationsgeräts folgen, während die anderen Teilnehmer nur stur an meinem Hinterrad hängen. Stein für Stein auf der Liste abzuhaken war nicht meine Vorstellung von unserer gemeinsamen Exkursion und so wie wir das gemacht haben, im Zusammenwirken aller, war es prima und hat auch als Erlebnis allen am meisten gebracht. 

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Eingedenk der Ladezeiten gibt es hier nicht alle Steine und Bilder zu sehen. Alle Teilnehmer bekommen noch eine CD. Geduld tut allerdings Not, dafür wird im Herbst Zeit sein.

csc_34Gestartet sind wir über den Kolmberg zwischen Holzhausen und Seifertshain mit dem dortigen Apelstein. Via Großpösna, Güldengossa und Auenhain gelangten wir zum Markkleeberger See, den wir umrundeten und dabei zum nächsten Apelstein gelangten, bevor wir drei in Markkleeberg liegenden Steine ansteuerten. Anschließend gab es Arbeitsteilung. carodame und fritz fuhren direkt zum ersten Verpflegungspunkt am Pier 1 am Cospudener See und kümmerten sich dort um alles, während Eric und ich zum Apelstein des Generals Bianchi rasten, der ein paar Kilometer die Pleiße hinunter abseits unserer Route lag. Dann sind wir weitergerast Richtung Pausenpunkt und der Künstler, Junge, Junge, hat bei diesem Zeitfahren schon eine ähnlich gute Figur gemacht, wie bei dem am darauffolgenden Tag.

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Dann hieß es erst einmal Pause machen. Kunstfreund Peter Koertge versorgte uns in seinem Biergarten, bevor wir am Nordstrand des Cospudener Sees vorbei zum Elsterflutbett gelangten und diesem bis nach Schleußig folgten. Plagwitz, Lindenau und Leutzsch waren die nächsten Stadtteile, in denen wir Apelsteine fanden. Dann war schon der zweite Verpflegungspunkt erreicht, das zwischen Palmengartenwehr und DHfK am Richard-Wagner-Hain gelegene Zierlich Manierlich. Und die Zeit verrann… Weiter ging’s die Elster entlang an der Sachsenbrücke und der Galopprennbahn Scheibenholz (Schauplatz eines unserer Querfeldeinrennen) vorbei durch die Südvorstadt und Connewitz bis nach Wachau. Auf diesem Abschnitt wurde uns die Sache dann ein wenig erschwert. Waren wir bis dahin schon kollektiv an dem einen oder anderen direkt am Wegesrand gelegenen Stein vorbei gefahren (dafür reichte bisweilen schon ein die Sicht in Fahrtrichtung verdeckendes Gebüsch), so war das hier schon tricky. Wegen Straßenbauarbeiten war ein Stein mit einem Holzkasten verkleidet worden.

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Bei dieser Gelegenheit sei angemerkt, dass wir nicht jedem Stein ein Bild umgehängt haben. Bei der Suche nach den Bildern lohnt sich der Blick in alle horizontalen wie auch vertikalen Richtungen, so viel sei verraten.

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In Wachau trennten sich unsere Wege erneut. carodame und fritz steuerten auf direktem Wege die casa kreuzbube an, um die wartenden Hunde auszuführen und don ferrando zu empfangen, der aus München kommend schon fast vor der Tür stand. Prieditis und ich fuhren wieder zurück Richtung Innenstadt bis zum Völkerschlachtdenkmal, dann wieder rein nach Holzhausen, dann wieder raus aus Holzhausen, wo uns ein paar Jugendliche in der einsetzenden Dämmerung glücklicherweise den Einschnitt in einer langgezogenen Wand zeigten, hinter der sich ein weiterer Apelstein befand.  Von da an wurde es eine Fahrt gegen die Dunkelheit, wie man am Blitzlicht sieht.

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cdc_30_2Den vorletzten Stein fanden wir noch gerade eben so, an der Landstraße zwischen Liebertwolkwitz und Wachau. Am letzten dann sind wir jedoch gescheitert. Neben einer Industriebrache, ohne Laterne gelegen, von drei Seiten mit Bäumen und Sträuchern umrankt, blieb er für uns unsichtbar, obwohl wir fast davor standen, gerade einmal zwei Meter entfernt. Wir hatten ja auch kein Licht an den Rädern… Das war der Moment, so kurz vor dem Tagsziel, als ich das einzige Mal zum Telefon griff, um die GPS-Funktion zu nutzen. Die blieb jedoch völlig nutzlos, wollte uns zu einem 30, 40 Meter entfernten, in der Schwärze der Nacht gelegenen Punkt auf einem Privatgrundstück leiten. Das am Tor zu einem Wohnhaus gelegene Schild „Privatgrundstück – Betreten verboten“ wollte ich zunächst kurzerhand ignorieren, schien mir doch fehlende Stein zum Greifen nah. Dann besann ich mich eines Besseren. Fremden Leuten nachts über das Grundstück zu laufen, gehört sich nun wirklich nicht, und wenn sie einen Guter-Bubi-Hund gehabt hätten, wäre das ohnehin keine gute Idee gewesen. Den fehlenden Apelstein wollten wir bei Tageslicht aufsuchen, also kehrten wir endlich nach Hause zurück. 

Dort warteten bereits carodame, fritz und don ferrando auf uns, der mal eben 430 km Autobahn abgespult hatte, um mit uns Apelsteine zu suchen und Bilder auszusetzen. Mit dem Auto ging es in die Stadt zum Essen im Werk II, da waren wir aber alle schon ziemlich müde. Die vorherigen Nächte waren ja kurz, die Zeit im Sattel lang, und daher gibt’s keine weiteren Aktivitäten von diesem Abend zu berichten. Am Samstag würden Helga und Hannes sich uns anschließen, davon erzähle ich morgen. 

Fortsetzung folgt.                                    zurück zum Prolog

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19 Antworten zu Concours des Corbeaux: Tag 1 auf der via apia

  1. kreuzbube schreibt:

    Nachtrag: Der im vergangenen Sommer in Holz verkleidete Apelstein steht wieder frei und ist frisch geputzt und beschriftet:

    • donferrando schreibt:

      Wer mag nur der glückliche Finder des Kunstwerkes sein ?

      • kreuzbube schreibt:

        Meine liebste Vorstellung geht dahin, dass an einem Freitag gegen eins, kurz vor Feierabend ein Straßenbauarbeiter gerade seine Pflasterarbeit beendet, ein letztes Mal in die schmerzenden Knie geht, mit einem Kollegen den Kasten hochhebt – und sich belohnt sieht, so dass die Mühsal der vergangenen Woche mit einem Mal verflogen ist. (Der Pflasterer ist ein heimlicher Kunstgenießer und malt selbst, traut sich aber nicht, das seinen Kollegen zu verraten)

  2. prieditis schreibt:

    So, jetzt ich auch mal, wenn auch nur kurz, denn hier gilt es nun erstmal einiges wegzuschaufeln. Später werde ich wohl nochmal ausführlicher…
    Danke! Danke! Danke!
    Ein ganz besonderes Erlebnis war es!
    Ganz besondere Menschen waren es!
    Ganz besondere Kilometerleistungen auch!

    ad Carodame: Genau! Die öffentliche Hand kann mich buchen.
    Ich habe aber auch Visionen von betriebsinternen Beach-Volleyballturnieren. Da könnte man im Sand…

  3. kreuzbube schreibt:

    Zwei Tage kommen noch. Und wir haben wirklich jeden einzelnen Stein gefunden. Im Vorfeld war ich mir da gar nicht so sicher.

  4. cut schreibt:

    Ich lese hier natürlich aufmerksam mit. Tolle Sache. Und schön, dass alles so gut geklappt hat!

  5. carodame schreibt:

    Ach, für Kurzentschlossene hätten sich noch Plätzchen gefunden (Tenne, Dachboden etc.)…
    Schön, dass alle wohlbehalten zu Hause gelandet sind. Rückblickend aber: Da malt ein Künstler (Skurrilist!!) 50 (fünfzig!!!) Bilder, macht kleine Keilrahmen, beschriftet alle, versieht sie mit einem extra gewebten Grußband, fährt nahezu 600 (sechshundert!) Kilometer hierher, um diese Bilder einem unbestimmten Schicksal zu überlassen. Nein, es war ein bestimmtes, ein ganz bestimmtes. Als Tierfreundin waren die mit den Raben und Fliegen natürlich meine Favoriten. Ich mache hier einen ausdrücklich tiefen Knicks vorm Künstler Prieditis. Vielleicht macht diese famose Aktion Schule und Städte buchen ihn für gut honorierte Aussetzungsevents…
    Ein weiterer Knicks gilt den herbei gereisten Gästen, die am vergangenen Wochenende auch nichts Besseres zu tun hatten, als ungewohnt viele Kilometer auf dem Rad zu sitzen, durch nicht immer schöne Gegenden zu rollen und Bilder zu verabschieden. Es war eine wirklich feine Gruppe an beiden Tagen, auf den Spuren dieser verheerenden Schlacht, um Erkenntnisse und Freundschaften reicher. Bei wundervollem Wetter. Da bleibt Einiges zum Erinnern.

  6. kreuzbube schreibt:

    @mark793: Ich hatte kurz vorher nochmal auf einem Sofa in einem Nebenraum unseres Schlafzimmers Probe gelegen, ob doch noch ein Kurzentschlossener untergebracht werden könnte. Bei Deiner Körperlänge jedoch wäre das eine Marter für Dich geworden. Und ganz ehrlich, so erschöpft, wie wir in die Kissen gesunken sind, war uns jede Minute Schlaf sehr teuer. Denn es ist ja so, man sitzt doch noch bis in die Nacht hinein zusammen.

  7. kreuzbube schreibt:

    Es hatte tatsächlich seinen Grund, weshalb wir alle Informationen zum Concours des Corbeaux bis zuletzt nur in kleinen Häppchen serviert haben. Wenn da Trittbrettfahrer die Idee geklaut und vielleicht ihre Batik oder Mundgetöpfertes um die Steine herum ausgebreitet hätten, nicht auszudenken…

    (Die Fotos für morgen sind gesichtet und ausgewählt, es werden diesmal nicht nur ein paar wie bisher…)

  8. donferrando schreibt:

    Ich hoffe, wenigstens die Prieditis Bilder waren wenigstens Originale und nicht von Kujau 🙂

    • fritz_ schreibt:

      Oh, Kujau? Den hab ich als Supertyp empfunden. War der nicht sowieso ein Sachse?
      … Sie werden assimiliert. Widerstand ist …

      • kreuzbube schreibt:

        Wer so etwas aufzieht wie das Ding mit den Hitlertagebüchern, vor dem muss man den Hut ziehen.

        Assimilation? Da ist was dran. Ich musste am vergangenen Wochenende schon darauf achten, die Uhrzeiten wieder im früher gewohnte Sinne zu nennen.

      • fritz_ schreibt:

        Uhrzeit? Fünf nach drei Viertel elf. (Schon so spät!)

  9. kreuzbube schreibt:

    Ergänzende Info zu den Apelsteinen, nur noch ein einziger von ihnen ist ein Original aus dem Jahr 1863, alle anderen wurden im Laufe der Zeit durch Kopien ersetzt:

    http://www.lvz-online.de/leipzig/citynews/denkmale-der-voelkerschlacht-rechtzeitig-vor-jubilaeum-2013-restauriert/r-citynews-a-132838.html

  10. mark793 schreibt:

    Ich glaube, mehr als die Fahrerei hätte mich das ständige Anhalten, ab- und wieder aufsteigen angestrengt.;-)

    Aber Spaß beseite, tolle Aktion!

    • kreuzbube schreibt:

      So war es auch. Wir waren ja von früh bis spät auf Achse. Auf der ständigen Suche nach dem nächsten Stein hatte das Hirn seinen Anteil am Energieverbrauch. Wir sind ja nie einfach nur so vor uns hin gerollt, sondern waren ständig geistig rege, gen Ende dann mit abnehmender Tendenz… 🙂

      prieditis (Düsseldorf-Unna 3 Stunden, sag‘ ich nur…) und don ferrando hatten zudem die lange Anfahrt in den Knochen und carodame und ich hatten im Vorfeld bis hin zu Malerarbeiten im Haus jeweils bis in die Nacht zu tun. Kurz: Mal ein paar Tage lang mit vier Stunden Schlaf auszukommen, bleibt wohl der Jugend vorbehalten.

      • mark793 schreibt:

        Ja, das geht mit zunehmendem Alter mehr an die Substanz und braucht viel längere Regeneration. Von daher war auch klar, dass das nix für mich sein würde, wenn ich erst Freitag nacht in DUS aus dem Flieger steige. Hätte schon orgamäßig enorm rumorgeln müssen, um Sonntag endlich mal bei der Klassikerausfahrt mitzukurbeln, aber ich war dann doch zu bequem, um mir den Wecker zu stellen.

  11. stefi_licious :) schreibt:

    tolle idee. ich bin begeistert. und grad wieder ein bisschen entäuscht, nicht näher dran zu wohnen. ich hätte spass am bilder suchen. 🙂
    herzliche grüße
    die frau s.

    • kreuzbube schreibt:

      Ich würde ja glatt stellvertretend noch einmal losziehen… habe aber zur Zeit ein dickes Knie, das bis Freitag wieder gut sein muss. Ganz ohne Verwundung ging es also nicht, mehr dazu in Kürze.

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