Rheinische Trilogie, 2: … et historiae. Reisen durch Raum und Zeit

Prieditis hat ein phänomenales Sofa. Als wir Samstag früh gegen 2:00 Uhr schließlich schlafen gingen, habe ich mich von Kartons umgeben hingelegt, die Augen geschlossen und bis um sieben ungestört durchgeschlafen. Erwähnen muss ich das, weil mein Gastgeber mitten im Umzug steckt und neben der Arbeit mehr als genug zu tun hat, den Wohnungswechsel zu bewältigen. Da wird schon geräumt, gepackt, entrümpelt. Dass er gleichwohl mit mir drei Tage lang im Sattel saß und bei allem mitzog, ach was sage ich, mich mitriss, verdient meinen Respekt.

golfclubs_DD 2Nach Tee und Toast ging’s los – eine Treppe weiter nach oben, ins Atelier, das uns als Behelfswerkstatt für die Räder diente. Ein Reifen an des Gastgebers Rad war außer Form und auf die Schnelle nicht zu reparieren, also haben wir ein anderes Laufrad eingebaut. Auch der Steuersatz bedurfte etwas Nachdruckes, um seine lockere Haltung aufzugeben. Schon wurde die Zeit knapp, denn der Start zur RTF lag gute 20 km entfernt. Auf der Karte hatte ich mir angeschaut, wo wir ungefähr lang fahren würden und dabei den Düsseldorfklischees nach der Blattgoldcurrywurst mit Schampus ein weiteres hinzugefügt. Wo bitte schön, gibt es denn so viele Golfplätze auf einem Haufen? Jene, die man hier sieht, sind längst nicht alle. Ändert man den Maßstab und dehnt den Ausschnitt aus, bekommt man weitere angezeigt.

Wie gesagt, wir waren etwas spät dran. Zu spät gibt es dort im Westen nicht. Alles ist so wie ich das von früher kenne und in diesem Punkt ganz anders als im Osten. Ich muss das kurz beschreiben: Bei der letzten CTF (Ost) öffnete sich das Startfenster um 10:00 Uhr. Als ich mich um 10:07 Uhr einschreibe, sind alle bereits unterwegs und ich werde vom Einschreibungszuständigen gefragt, ob ich wohl auch noch mitfahren wolle? Ähnlich ein Erlebnis bei einer RTF: Um 9:05 Uhr bin ich mit einem Freund da (Startfenster 09:00 bis 10:00 Uhr) und die Dame greift zum Mobiltelefon, ruft am Kontrollpunkt an: Du, da kommen noch zwei.

rtf_start_2Unser Startfenster am Samstag war von neun bis um elf geöffnet. Als wir ein wenig nach zehn Uhr ankamen, standen noch Dutzende Rennräder herum und drin standen und saßen die Gruppen beisammen, quatschten, tranken Kaffee, aßen Kuchen. Zwischendurch machten sich immer mal welche frei von Hektik auf die Socken. Für jene, die am Samstag gerne mal shoppen stand der Gabentisch bereit und bot Helme, Klamotten, Reifen und sonstiges Radsportzubehör feil. Auch das erinnerte mich an früher, da habe ich mir die Mützen, Trikots oder Hosen bei der RTF aus dem Kofferraum irgendeines Kombis gekauft.

rtf_start_6aphro child, cut und mark793 waren natürlich schon da und mark793 hatte klugerweise sein Rad direkt vor die Tür gestellt. Weil ich das kannte und mit seinem Gesicht in Verbindung bringen konnte bzw. er von drinnen nur schauen musste, wer davor stehen bleibt, war das Zusammenfinden einfach. Wir kannte uns ja gegenseitig nicht alle, sondern immer nur einzelne von uns wussten, wer einer der anderen ist. Aphro child war für mich sofort als alter Radsporthase zu erkennen und nach seinen für mich kryptischen Tourenbeschreibungen der vergangenen Monate unterwegs dann von bestechender Klarheit und Zielstrebigkeit in der realen Umsetzung unseres Vorhabens… 😉  (Wenn an einem Kreisverkehr mit vier möglichen Richtungen ein Mitbürger den Richtungspfeil entfernt, dann ist man ohne Ortskundigen aufgeschmissen.)

Geht’s raus und fahrt’s Rad war das Motto und dem folgten wir dann auch recht bald. Eine schöne Sache sei noch eingefügt. Der jüngere Nachwuchs des RV Edelweiss Mettmann stand rund um den Startort mit kleinen Fahnen und hat alle Ankömmlingen von den Straßen, dem S-Bahnhof und dem Parkplatz aus in die Berufsschule Neandertal geleitet, wo die Anmeldung und Verköstigung erfolgte. Auch auf die Piste wurden wir mit Fahnenschwenk geleitet. Ein Lob diesen jungen, gutgelaunten Helfern! (Kein Lob hingegen dem kreuzbuben, der die Karte der Kamera in prieditis‘ notebook vergessen hatte.)

Die Beschilderung der RTF war perfekt, was vor dem Hintergrund der Streckenführung keine Selbstverständlichkeit war. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal so viel Straßenverkehr um mich herum hatte. Die gesamte Region ist dicht besiedelt. Die Stadtgrenze und den jeweiligen Beginn einer neuen Stadt erkennt man nur anhand der Ortschilder. Bebauungsgrenzen und freie Landschaften sind rar. Das ist für uns im Osten sehr ungewohnt. Verlassen wir binnen einiger Minuten Leipzigs Innenstadt, dann kommt auf den nächsten 1oo Kilometern in Richtung Osten oder Süden keine Großstadt, sondern weites Land mit Landstraßen, die kaum vom Straßenverkehr belastet sind. Ganz anders im Ballungsraum am Rhein. Ein engmaschiges Straßennetz, das in alle Himmelsrichtungen eine Stadt neben der anderen verbindet, fordert dem RTF-Veranstalter einiges ab, will er verkehrsberuhigtere Passagen einbauen. Das ist dem RV Edelweiss durchaus gelungen. Vor allem, als wir uns Wuppertal näherten, wurde es deutlich ruhiger und wir bogen in Wege ein, die keine 100 Meter von der Straße entfernt eine veränderte, grüne Welt vorfinden ließen.

Erstaunen ließen mich die zahlreichen Autofahrer. Die weitgehend vorhandenen, jedoch auch weitgehend holprigen Radwege haben wir des geschmeidigeren Rollens wegen weitgehend gemieden.  Über den gesamten hügeligen Rundkurs hinweg hat mich nicht ein Autofahrer angehupt oder das Fenster heruntergekurbelt und geblökt, ich solle den Radweg nutzen. Das habe ich hier zuhause schon ganz anders erlebt.

Ich hatte es ja schon erwähnt, die halten in D’Dorf mit dem Rad sogar an jeder roten Ampel. Unterwegs habe ich dann noch etwas gelernt: Die fahren mit dem Rad rechts rum in den Kreisverkehr, um dann die dritte Ausfahrt zu nehmen und nicht etwa links rum auf kürzestem Weg in die Abzweigung. Jeck!  😉

neandertaler

Die Mitstreiter, nun endlich zu den Mitstreitern. Sie haben es mir leicht gemacht. Durch die Bank weg sind sie gut gefahren und noch dazu erstaunlich diszipliniert. Im Nachhinein kann ich es ja sagen: Aphro Child war natürlich über jeden Zweifel erhaben. mark793 würde auch keine Probleme bekommen, dessen war ich mir sicher. Um cut und prieditis hingegen würde ich mich vielleicht ein wenig kümmern müssen, dachte ich mir. cut war bis dato Flachetappenspezialist, wie würde er sich im hügeligen Terrain schlagen? Als Biel-100 km-Läufer sollte er andererseits über die Willensstärke verfügen, die ihn über die Runden bringt. Angesichts dessen, was prieditis jede Woche um die Ohren hat, schien mir ein stundenlanges bergauf-bergab durchaus eine Herausforderung für ihn zu sein. Im vergangenen Jahr jedoch hatte er mit mir in Leipzig schon einen ganzen Tag pedalierend verbracht und die Anstrengung kurzerhand der guten Laune untergeordnet.

Dann waren wir unterwegs und die ersten 15 km lief es, wie das halt immer so ist, ein wenig zu schnell. Spätestens nach dem ersten Kontrollpunkt hatte sich das eingependelt, die Zurufe klappten und auch die beiden RTF-Neulinge fuhren das Ding mit Bravour ins Ziel. Da bedurfte es unterwegs keiner Hilfestellung und keiner Lücken, die geschlossen und wieder zu gefahren werden mussten. Es hat prima gepasst, alle haben ein wenig aufeinander geachtet und so wurde das Erlebnis zu dem, was es werden sollte: ein gemeinsames. Noch dazu haben alle Landschaften entdeckt, die ihnen als Bewohner des Großraums bis dahin nicht ausnahmslos bekannt waren.

rtf_start_5Ich gratuliere Euch, Ihr habt euch wacker geschlagen. Es hat wohl allen gefallen, Spaß gemacht und euch auf den Geschmack für weitere solcher Ausfahrten gebracht. Wenn irgendetwas nicht gestimmt haben sollte, dann sagt es ruhig, dann machen wir es bei einem nächsten Mal besser.

Ein herzlicher Gruß geht nach Hamburg an kid37, der uns pünktlich zum Start aus der Ferne mit einem motiverenden Kurzfilm beschert hatte.

Eine Beanstandung muss ich zum Schluss aber doch loswerden: Es gab an den Kontrollpunkten keine Fettbemmen! Es is ein Skandal im sein! (für Insider)

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3 Antworten zu Rheinische Trilogie, 2: … et historiae. Reisen durch Raum und Zeit

  1. mark793 schreibt:

    Ach, das Gehupe und Gemotze wegen Radweg kannst Du hier auch haben. Allerdings sinkt die Wahrscheinlichkeit spürbar, wenn man zu mehreren (und mit Rückennummer) unterwegs ist. Neulich hatte ich alleinefahrend erstmals eine Begegnung der anderen Art, da machte ein Automobilist eigens langsam und lehnte sich aus dem Fenster, um sein Wohlwollen darüber zu artikulieren, dass ich auf dem Radweg fuhr: „endlich mal einer!“. Tja, wo es vertretbar ist, bricht mir da auch nichts ab.

    Was die Besiedlungsdichte angeht, führte unsere Route noch durch dünnbesiedelten Teil. Südlich der A 46 bei Hilden, Haan und Solingen ist alles noch viel bebauter. Das macht so wenig Laune, dass ich für meine Exkursionen zum 19-Prozenter südlich von Solingen das Darkmobil angeschirrt habe. Mit viel Ortskenntnis ließe sich vielleicht eine gute Radstrecke finden, aber mir fehlt da schlicht der Nerv. Das macht Aphro Childs Expertise so wertvoll, obschon ich bisweilen Mühe mit dem Dechiffrieren seiner velophilen Schatzkarten habe.

    Ach ja, wenns nicht indiskret ist, was gabs denn mit dem anderen Colnago-Rouleur am K 4 zu konspirieren, ist man mit der Marke Mitglied in einem verschworenen Club oder so? 😉

    • kreuzbube schreibt:

      Ich verstehe nun jedenfalls Deine immer mal fallenden Bemerkungen über viel frequentierte Durchgangsstraßen wesentlich besser.

      Der besagte Fahrer am Kontrollpunkt 4 war ein Engländer, der die RTF mitfuhr. Ich dachte zunächst, da geht jemand mit meinem Rad davon… In diesem Fall war nicht die Marke von Interesse, sondern das Modell in der fast gleichen Lackierung. Das C40 kam zum Firmenjubiläum heraus und in dem Dekor wie es meines hat sieht man es unterwegs kaum einmal. Ich konnte erkennen, dass die Räder ein Mensch und kein Automat lackiert hat. Die grundsätzliche Farbgestaltung war bei beiden Rahmen gleich, aber es gab Abweichungen in den Farbtönen und der Intensität. Der Kollege war hingehen der Meinung, beide Rahmen seien sogar gleich groß…

      Colnago C40

      • mark793 schreibt:

        Da muss man aber schon paar pints of lager intus haben, um die Rahmen für gleich groß zu halten. Das linke sieht nach Kinderrad aus (auch wegen der rotbenippelten Nuckelflasche)…

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