Het is hier goed fietsen, 3

Sunshine, sunshine reggae
Don’t worry, don’t hurry, take it easy
Sunshine, sunshine reggae
Let the good vibes get a lot stronger
Sunshine Reggae, Laid Back
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Kehren wir noch einmal zurück in die darnieder liegenden Lande. Das sind sie wirklich. Wie ich von priedits erfahren habe, denn der kennt sich aus, sind wir bei etwa 40 Höhenmetern gestartet und unterwegs bei drei Metern unter dem Meeresspiegel angelangt. Die Niederländer müssen also das Wasser draußen halten und haben große Erfahrung darin, wie wir unterwegs immer wieder bemerkt haben. 

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Apropos prieditis, der erzählt gerade genug von unterwegs, ich muss daher an dieser Stelle nicht alles wiederholen. Überhaupt wäre manche Reiseschilderung eine Wiederholung. Ob man die Landschaft um die Maas herum von Maastricht und Roermond aus erkundet (wie im vergangenen Jahr) oder von Venlo aus in nördlicher Richtung (wie in diesem Jahr), das macht jetzt nicht so einen großen Unterschied. Auch nicht, ob man dann irgendwann statt an der Maas an Waal oder Nederrijn unterwegs ist. Und so ist der erste Tag unserer Reise schon jetzt ziemlich zusammengeschrumpft auf wenige, ganz wenige Erinnerungen. Mehr oder minder sehe ich fast nur noch diese Ferienparks vor mir, durch die wir gefahren sind. Die sahen sehr schmuck aus, wie überhaupt die ganzen Niederlande, zumindest wenn man der Ronde van Nederland folgt, picobello aussehen. Genau genommen sieht es dort genauso aus wie im nördlichen Flandern, was auch nicht verwundert, war doch beides mal eins, die Niederlande und Belgien, denn letzteres gab’s bis 1830 gar nicht.

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Das Erscheinungsbild des Anwesens des durchschnittlichen Niederländers bewegt sich in dieser Bandbreite: Zwischen täglicher Rasenpfege mit der Nagelschere und der Haltung „Ich bin Gartenanarcho und mähe nur einmal in der Woche!“ Hier im Bild: ein stinknormales niederländisches Haus. So sehen die dort alle aus.

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Auch landwirtschaftliche Betriebe kommen so daher, als würden sie täglich mit dem Hochdruckreiniger und Bürsten blitzblank geschrubbt. Wer mal ostdeutsche Milchwirtschaften oder Schweinemastbetriebe gesehen hat, der wird kaum glauben, dass das niederländische Pendant so aussieht. Da kann man vom Fußboden essen, gemeinsam mit den Schweinen.

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Eine niederländische Auffälligkeit ist auch das rege gastronomische Leben in kleinen Orten. Ich weiß jetzt nicht, ob es an der Routenführung liegt, aber ganz gleich, wo wir hinkamen, es gab immer was. Nicht wie in Sachsen. Nicht wie in Sachsen-Anhalt. Schon gar nicht wie in Brandenburg oder Meck-Pomm. Ein kleiner Ort, in der Mitte ein Platz oder eine Grünanlage, darin vielleicht irgendeine Skulptur und um den Platz herum ein, zwei Cafés. Oder auch drei. Oder auch vier. Geöffnet. Mit Leuten drin und davor. Sogar am Sonnabend nach 11:00 Uhr geöffnet und auch am Sonntag!

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Das war schon in Flandern so. Die Leute spazieren durch ihren Ort, setzen sich zu andern dazu, trinken Kaffee oder ein Bier, plaudern, und lassen dann auf diese Weise so ab 12:00 Uhr den Tag ausklingen. Appeltaart gibt’s überall und der Koffie ist stärker als der übliche deutsche Kaffee. Man kann also einfach drauflosfahren und weiß, alle halbe Stunde gibt’s eine Gelegenheit, Leib und Magen zu stärken. 

Wenn man in den Niederlanden unterwegs Rennradgruppen trifft und sich zwecks Windschatten dranhängen will, dann gibt’s dafür eine einfache Entscheidungshilfe. Haben alle einheitliche Trikots und Hosen an, dann heißt es mitfahren. Haben alle unterschiedliche Klamotten an, dann zieht man besser alleine weiter. Sie kriegen nämlich keine ordentliche Zweierreihe hin, lassen riesige Lücken, mal treten sie, mal nicht. Da kommt man alleine/zu weit schneller voran, sieht auch mehr als nur das Hinterrad des Vordermannes und hat sogar noch Zeit zum Blumenpflücken.

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Die Tagesetappen von jeweils etwa 150 km zwischen den Städten waren für uns durchaus richtig gewählt. Man braucht morgens jeweils ein wenig, um zu sich zu kommen, sich auf Balkon oder Terrasse zu recken und strecken, alles wieder einzupacken und abends, um Hotel oder Bed & Breakfast zu suchen. Und man braucht Zeit fürs Frühstück vor dem Losfahren. Und fürs Abendessen und die Schlummertrunke nach dem Ankommen. Und fürs Quatschen. Und unterwegs natürlich für das eine oder andere Broodje Haring, für -wie schon gesagt- Koffie und Appeltaart, für Kippling und alles mögliche andere aus der Fritteuse, von dem man gar nicht immer wissen will, was vom Teig umhüllt wird. Rein theoretisch könnte man jeden Tag, sagen wir mal, 50 km dranhängen. Schaltet man halt auf Autopilot und kurbelt man halt vor sich hin. Aber dann guckt man nicht mehr viel links und rechts und hält an keiner Skulptur oder wegen irgendwas anderem mehr an.

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Aber glücklicherweise sind da die Niederländer sowieso vor. Die legen ihre Ronde van Nederland nämlich extra so, dass man beispielsweise erst über eine Fähre muss und dann kurz danach wieder über eine andere Fähre zurück auf die Flussseite, von der man gerade erst kam. Auch so mancher andere Schlenker der Route scheint durchaus so gewählt, dass der Inhaber eines Gastronomiebetriebs sich die Hände reibt.

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Weitere Fähren, teilweise auch welche, auf die man länger warten muss wie am Hoek van Holland, von wo aus man landeinwärts zum Hafen von Rotterdam gelangt, bremsen den Vortrieb des Pedaleurs und man kann in der Sonne sitzend schön träge werden. Ein Imbiss ist dann in aller Regel nicht weit, man will ja auf See und anschließend auf dem langen Marsch durch die menschenleeren Industriegebiete nicht darben.

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Vielleicht lockt dann etwas später rechter Hand am Wegesrand ein Schild mit Erdbeeren, hausgemachtem, cremigem Vanilleeis und Sahne, einzunehmen im Garten des Cafés, das inmitten saftiger, grüner Wiesen und unter blauem Himmel liegt, bei strahlendem Sonnenschein und 25° C. Welchen Grund könnte es geben, daran vorbeizufahren? 

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IMG_5026In Amsterdam sollte man sich sowieso Zeit nehmen und sich wenigstens einen ganzen Tag und eine Nacht lang dort aufhalten, statt nur durch zu fahren. Fährt man nur durch verpasst man -wie wir- die Hot Dogs des wohl einzigen Sternekochs, der ’ne Würstchenbude betreibt, die aber erst um 12:00 Uhr öffnet.

Aber auch das Durchfahren dauert. Nach Amsterdam kommt Haarlem und nach Haarlem kommt Zandvoort und bis man dort am Meer ist, sind es vom Hauptbahnhof Amsterdam schließlich 18 km oder so, was auf gute zwei Stunden hinausläuft und dann für weitere Verzögerung sorgt, weil man in Zandvoort an einem schönen kleinen Platz herauskommt, wo es leckere Kersentaartjes gibt, die auf den ersten Blick nicht groß aussehen, aber dennoch ein Pfund wiegen, weshalb es dann noch einmal etwas dauert, bis wir endlich an den Strand gelangen.

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Wie eingangs erwähnt, die Niederlande liegen flach wie ein Brett vor uns und wir konnten 43 Höhenmeter runter fahren. Keine Steigungen, deswegen ist es auch egal, welches Rad man nimmt und was es wiegt. Ich war vor der Abreise schlicht zu faul, den im Stadtbetrieb genutzten Gepäckträger und die Packtasche und die Schutzbleche abzumontieren. Einen Unterschied hat es nicht gemacht. Auch das ganze Gedöns um Schaltungen und Übersetzungen kann man sich sparen. Man braucht im Grunde nur ein Ritzel und zwei Kettenblätter. Eins für die Fahrt mit dem Wind und eins für die Fahrt gegen den Wind. Morgens den Finger anfeuchten, in die Luft halten und den entsprechenden Gang einlegen. Das waren die Schaltvorgänge für den Tag.

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Das stimmt allerdings nicht ganz, womit wir zum schönsten Abschnitt der Route kommen.  Der Radfernweg LF 1 führt die Küste hinunter und er tut das durch eine teilweise spektakuläre Dünenlandschaft hindurch, die ich mit den während der Fahrt geknipsten Fotos leider nicht so wiedergeben kann, wie wir sie erlebt haben.

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Dort wird es einem nie langweilig, denn es geht eher selten geradeaus. Der Weg weist viele Kurven auf und führt dauernd rauf und runter. Nicht lang, nicht steil, aber eben wellig.

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Die Zeit vergeht wie im Flug und es begegnen uns dort viele Rennradfahrer, für die das offenkundig die Trainingsstrecke ist.

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Alle anderen, die einfach nur ans Meer wollen, fahren auch mit dem Rad, denn mit dem Auto kommt man zwar irgendwie auch hin, macht aber keiner. Gehört sich wohl nicht.

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Auch an Wasser wird gedacht. Weil am Meer die Luft nicht nur salzig ist, sondern auch der Staub des Dünensandes den Mund trocken macht, freut man sich über die vorhandenen Trinkwasserspender direkt am Radweg.

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Irgendwann ist das leider zu Ende. Man fährt dann doch eine Weile lang geradeaus, immer hinterm Deich entlang, bekommt aber nach riesigen Gewächshäusern und Obstplantagen viele Ausblicke aufs Meer geboten. Da drüben, rechts, liegt Belgien, liegt Antwerpen.  Ein Schiff hier, eine Hafenanlage da, ein Atomkraftwerk dort. Das hat wohl Risse, aber das macht ja nichts. Es steht ja hinter der Grenze.

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Wären da nicht ein paar Städte auf der Strecke, ob Bergen, Breda, Eindhoven, dann wäre es ostwärts durchs Landesinnere wieder wie in den Jahren zuvor in Flandern, was auch nicht weiter verwundert, war doch beides mal eins; die Niederlande und Belgien, denn … siehe oben.

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Östlich von Bergen sage ich gerade zu prieditis, Du prieditis, die haben hier nur Weideland und gar keine Wälder, die Holländer. Und schwups, sind sie da, die Wälder. Ein ganzes Stück lang sind wir darin unterwegs, mit kleinen Heidelandschaften zwischendurch. Sie geben sich also durchaus Mühe, uns auf der Ronde van Nederland Abwechslung zu bieten.

Wald nach Bergen

Das Ende der Reise ist eine Sensation: Endich einmal müssen wir nicht diese vermaledeite Strecke zwischen Maastricht und Aachen fahren, die sich scheinbar endlos zieht, weil man alle 100 Meter angezeigt bekommt, dass man gerade 100 Meter gefahren ist. Und zum ersten Mal verpassen wir den letzten Zug nach Düsseldorf nicht und kommen zeitig dort an. Und dann machen wir was, was ich seit Studentenzeiten nicht mehr gemacht habe. Heißhunger haben wir, ein Vorgang, der sich „Kochen“ nennen könnte, scheidet völlig aus. Wir schmeißen Nudeln in einen Topf, schmeißen die Nudeln auf Teller und kippen Curryketchup drüber. Und ich muss sagen: kann man mal machen.

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Schön war’s, auch dieses Jahr. Ist aber auch einfach mit dem prieditis. Losfahren, gute Laune haben, ankommen, alles schick, alles schön. Darauf gibt’s im Vorfeld schon Brief und Siegel. Aber dass der immer diesen Riesenrucksack auf hat… Irgendwann muss ich heimlich mal reingucken und herausfinden, was sich darin verbirgt.*

*Behauptet hat er, dass darin unter anderem ein paar Schokoriegel Nuts für unterwegs wären. Aber als ich mal einen gebraucht hätte: Hilfloses Wühlen. „Find‘ ich jetzt nicht!“

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3 Antworten zu Het is hier goed fietsen, 3

  1. alex schreibt:

    *auch da hin wollen*

    • kreuzbube schreibt:

      Hier gibt’s den Reiseführer:

      http://webshop.fietsvakantiewinkel.nl/ronde-van-nederland-fietsroute-via-lf-routes.html

      Ist zwar auf niederländisch, aber die ganze Runde ist in vielen einzelnen Abschnitten abgebildet. Mitsamt Fähren und gastronomischen Einrichtungen… Cafés, die für Radfahrer gekennzeichnet sind, haben übrigens immer Flickzeug und Pumpen etc. parat.
      Lässt man die Karte, so wie ich, unterwegs in einem Café liegen, ist das auch kein Problem. Die Beschilderung ist gut und komplett, um auch hunderte von Kilometern ohne irgendwelche Hilfen zu fahren.

      • alex schreibt:

        Ja danke dann mal. dann bräuchte ich jetzt nur noch Urlaub. Radurlaub um genau zu sein…

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