Sneller en sterker in de Vlaamse Ardennen

Ray: Warum hast du nicht zurückgewunken, als ich dir heute gewunken hab?
Jimmy: Ich war heute auf einem sehr, sehr starken Pferdeberuhigungsmittel, ich habe keinem zurückgewunken, außer vielleicht einem Pferd.
(Dialog aus Brügge sehen und sterben?)
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And now, ladies and gentlemen, after days of disgrace and desperation kreuzbube is making love to his ego.

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Einige Stunden zuvor: Der morgendliche Blick auf die Karte bietet 300 km Rückweg, überwiegend am Fluss und am Kanal entlang. Auch wenn der Wind pünktlich zur Heimfahrt auf Nordost gedreht hat, sollte das die bessere Variante für die Rückreise sein; unter Vernunftsgesichtspunkten betrachtet, der sich nur mäßig gebesserten Erkrankung wegen. Ich bitte meinen Reisebegleiter um Nachsicht, dass ich ihn um einen Teil der angedachten Erlebnisse bringe. Er nimmt’s leicht, mit der ihm eigenen positiven Einstellung zu den Dingen. Denn das muss hervor gehoben werden, nicht mit jedem kann man so gut unterwegs sein. Da gibt’s kein Geningel, kein zu früh, zu spät, zu kalt, zu nass, zu windig, zu steil, zu lang, zu kurz, zu viele Stopps, zu wenige Halte. Et es, wie et es, et kütt, wie ett kütt un et hätt noch immer jot jejange.

de ronde signNach dem Frühstück biegen wir dann ab in Richtung Ardennen… Wir sind in Flandern, zur Hölle, und da will ich ins Herz der Ronde und nicht zwei Tage lange fortwährend einem Flussverlauf folgen. Aus dem Genter Zentrum heraus versuchen wir, den Einstieg in den Radfernweg nach Oudenaarde zu finden. Die Sucherei nimmt ein baldiges Ende, wir halten einen Rennradfahrer an, der kurzerhand seine Trainingsroute ändert und uns auf die richtige Piste bringt. Die führt uns bis Oudenaarde immer an der Schelde entlang und dann stehen wir vor dem Centrum Ronde van Vlaanderen.

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Natürlich machen wir nicht einfach nur Kilometer, sondern gönnen uns dort ein kleines, zweites Frühstück, während sich ein Teil der Einheimischen schon eingefunden hat, weil mittags das Amstel Gold Race live übertragen werden soll. Wir sind in Flandern, hier ist Radsport der Nationalsport Nr. 1, da werden Rennen im Fernsehen übertragen mit Vor- und Nachberichterstattung und Interviews, wie es das in Deutschland nur beim Fussball gibt.

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Auf den Museumsbesuch verzichten wir, wir wollen dann doch lieber fahren, und den Shop kann man sich ohnehin schenken. Trikots und Hosen und Mützen gibt’s da, die man auch via Internet bestellen kann – und zu weiten Teilen kann ich den Kram ohnehin nicht mehr sehen.

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Hügel mit Kopfsteinpflasteranstiegen im zweistelligen Bereich kann man in den Vlaamse Ardennen zwischen Oudenaarde und Geraarsbergen im Dutzend erklimmen. Für die Profis müssen diese 259 km unter den Rennbedingungen der Ronde van Vlaanderen, womöglich gar bei Regen, eine Schinderei sondergleichen sein. 

koppenberg_1 _smIn den Koppenberg beispielsweise, den wir oben im Bild sehen, rollt man ein Stück weit flach hinein, dann wird es schnell zweistellig und dann dotzt das Vorderrad bei 22 % Steigung über das Kopfsteinpflaster, während das Hinterrad immer wieder auf den Katzenköpfen wegrutscht, sobald man aus dem Sattel geht. Mein Puls rast wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr… Et hätt noch immer jot jejange.

muur_2Ab nach Geraardsbergen. Da steht sie. Die Muur. Ein Kilometer mit einer Steigung zwischen 9 und 19 %. Auf dem Gipfel des Hügels steht eine kleine Kapelle, die es zu erreichen gilt. Oben treffen wir weitere, jüngere Radreisende, die ihre Rennräder mit Gepäck beladen haben und sich mit 6-fach Zahnkranz den Anstieg schwerer vorgestellt hatten… Wie so oft unterwegs kommen wir zwanglos ins Gespräch. Sie lassen sich offenkundig ein wenig aufs Geradewohl durch Flandern treiben, denn mit dem Telefon fotografieren sie unsere Karte ab, oh look, we should have bought one of these.  

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Anschließend rollen wir hinunter in die Stadt, um etwas zu essen und uns den weiteren Verlauf der Strecke anzuschauen. Wir essen, schauen uns den weiteren Verlauf der Strecke an, und stellen fest: Die Strecke geht auf der anderen Seite der Muur weiter…

Diesen Tag entlang der Schelde, durch die flämischen Ardennen und ins schöne Leuven hinein möchte ich nicht missen. Die letzten Ibuprofen und die letzte Ampulle Vitamin- und Mineralienkonzentrat waren verbraucht, eine mehrjährige Dopingsperre wäre mir als Sportler sicher, aber abends geben mir die Bilder des Tages im Kopf trotz aller Erschöpfung einen Gesundheitsschub und Hoffnung für die abschließenden, über den Daumen gepeilt 150 km nach Aachen am nächsten und letzten Tag unserer Reise.

leuven

Ausnahmsweise und in völliger Übereinstimmung gehen wir an diesem Abend nicht mehr in die Kneipe, sondern sind vor Mitternacht im Bett. Auf dem Hotelzimmer gibt’s Cola, Bier, Chips, Lakritz und Schokolade, im Fernsehen läuft die Wiederholung des Amstel Gold Race, das Philippe Gilbert in ziemlich spektakulärer Manier gewinnt. Mit den ersten Sonnenstrahlen des nächstens Morgens spüre ich dann, wir es mir erstmals seit Tagen körperlich wirklich besser geht, wenn auch noch nicht gut. 

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4 Antworten zu Sneller en sterker in de Vlaamse Ardennen

    • kreuzbube schreibt:

      Also das ist doch wohl… wenn ich jetzt anfange, mich aufzuregen, dann höre ich so schnell nicht mehr auf…

    • prieditis schreibt:

      Puh, bin ich froh, daß ich Bier im Rucksack hatte…

      • kreuzbube schreibt:

        Unsere Gourmand-Erlebnisse waren landestypisch, wie es im Artikel „Im Bermudadreieck des Bieres“ in der FAZ über Belgien heißt:

        Dazu gibt es als Magenstärker Tartine au fromage, frisbeegroße Brotscheiben, bestrichen mit holländischem Quark, reichlich garniert mit Zwiebeln und beißend scharfen Radieschen.

        Überhaupt künden die Etiketten der weit mehr als 150 größtenteils belgischen Hopfen- und Malzgebräue im Poechenellekelder von einem verflüssigten Fegfeuer, wenn es nicht gleich die alkoholhaltige Hölle ist: Das teuflische Duvel-Bier gibt es hier, das gespenstische Fantôme und den Guillotine-Trunk. Andere Sorten sind unter- oder obergärig, blond, bernsteinfarben oder nachtschwarz, mit Kirschen, Koriander, Himbeeren oder Bananen angereichert – Belgiens kreative Brauer haben für das Dogma des deutschen Reinheitsgebotes nur ein mitleidiges Lächeln übrig.

        Man erfährt auch, unter welchen Bewusstseinstrübungen die Denker philosophierten:

        Die Humpen hoch hielten auch Karl Marx und Friedrich Engels, die in den Pinten ihrer Exilstadt manche Nacht durchfeierten.

        Und was die werte Gattin davon hielt:

        …was Frau Marx, geborene Jenny von Westphalen, nicht davon abhielt, über die beträchtlichen Stammtischausgaben ihres Gatten zu seufzen: „Der liebe Karl hätte besser getan, etwas Kapital zu beschaffen, als über das Kapital zu schreiben.“

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