Rheinische Trilogie, 3: Highlander

dp_17Life by bike. Team kreuzbube hat Düsseldorf erkundet, das Neandertal umrundet, war beim Death Pedal aktiv am Start und hat dort ein Musterexemplar aus der eigenen Manufaktur ausgestellt. Nun wurde es Zeit, den Heimweg anzutreten, 500 Autobahnkilometer im Blechsarg lagen noch vor mir. So entspannt, wie wir uns durch das ganze Wochenende treiben ließen, ging auch dieser Nachmittag zu Ende – mit einem abschließenden Bonus. 

ricci_4Der Weg zur Pension Prieditis führte uns noch einmal bei ricci sports in der Grunerstraße vorbei, dem Treffpunkt für die allmonatliche Klassikerausfahrt. Wie der Zufall so spielt, war Richard Pratt, der Inhaber des Radsportladens, noch da, nachdem er vormittags die Ausfahrt an- und durchs Niederbergische Land geführt hatte. Richard ist zweimaliger schottischer Meister und hat von 1966 an über 1000 Rennen bestritten. Er betreibt ein Radsportgeschäft, wie man es selten sieht. Nachdem er uns herein gewunken hat, stelle ich fest, was da alles nicht hängt und liegt: Kein Trikots, keine Hosen, keine Helme. Keine Taschen, keine Lampen, keine Luftpumpen. Keine Lenkerbänder, Trinkflaschen und Klingeln. Auch keine Energieriegel oder Gels. Nüscht. Der Mann muss verrückt sein.

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ricci_3Im linken Schaufenster stehen moderne Rahmen aus Italien, im rechten klassische, von Tommasini bis Rickert. Wer ein Rad will, kann sich vermessen lassen und bekommt es gebaut.  Zwischen den Rahmen sind Vorbauten, Sattelstützen, Lenker, Kurbeln, Kettenblätter, Naben verstreut. Alles silbern, alles auf Hochglanz poliert. Schon das meiste davon liegt in anderen Fahrradgeschäften nicht herum. Vielleicht mal eins oder zwei als besondere Dekorationsstücke, aber nicht in dieser Menge.

ricci_2Doch drinnen, da geht es erst richtig los. Da stehen Bahnräder, Bahnräder sag‘ ich, die sieht man so schnell nicht wieder. Vorkriegsräder, vom Feinsten. Zu jedem hat Richard eine Geschichte zu erzählen und nachdem ich unvorsichtiger Weise durch eine Bemerkung in Erics Richtung verrate, dass ich weiß wer Major Taylor war, nach dem ein Vorbau benannt wurde, da ging es erst richtig los. Richard packt Sachen aus, die uns tief in den Radsport von gestern führen.

ricci_5Er nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Als er mir ein Jahrzehnte altes Schaltwerk vorführt, das sich sensationell knackig und präzise und frei von jedem Spiel präsentiert, da wird er … naja, ich umschreibe das mal vorsichtig und vermeide den Original Wortlaut: Das Schaltwerk ist jedenfalls keine *Markenname Top-of-the-pops* Massenramschware. Der Mann muss verrückt sein.

ricci_6In den Vitrinen eine Radnabe neben der anderen, blank und silbern blinken sie uns entgegen. Jede einzelne dreht seidenweich. Als wir schließlich in seiner Werkstatt landen wird sofort klar, dass hier ein außergewöhnlicher Bicycle Repair Man arbeitet. Werkzeuge, die teils 100 Jahre auf dem Buckel haben, Werkzeuge, die er selbst angefertigt hat. Die führt er uns bereitwillig vor, zeigt uns die sensationell leichten Holzfelgen, die in Italien noch gefertigt und von ihm verkauft werden, bevor er von mir wissen will, ob Täve mit seinen über 80 Jahren wirklich noch regelmäßig Rennrad fährt. All das geht Deutsch-Englisch über die Bühne und ich kann mir gar nicht alle Begriffe und Markennamen merken, von denen er gesprochen hat.

Sein Alltagsrad hat einen italienischen Rahmen, selbstverständlich selbst gebaute Laufräder mit Naben, die ich gar nicht kenne und ist ein Singlespeed.  Das reiche für die Stadt und auch für die meisten Ausfahrten in der Umgebung. Draußen fragt er noch, was unter dem lila-Glitzerkleid steckt, merkt an, was an meinem C40 nicht Original ist und dann ziehen wir nach einem herzlichen Dank an ihn von dannen.

ricci_8Richard Pratt, ein Unikat und Enthusiast voller Erfahrung und Wissen. Wer mal Frühjahrstraining auf Malle machen will, er ist dort jedes Jahr für ein paar Wochen und geht mehrmals in der Woche mit den Gästen bestimmter Hotels auf die Trainingspiste.

Die sieht mich am Sonntag wieder, der Blog wird mit neuen Beiträgen ein wenig warten müssen. Ich habe ja mehr Tage zum Schreiben gebraucht, als ich gefahren bin! Vielleicht jedoch gibt es wenigstens ein paar Fotos, mal sehen…

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6 Antworten zu Rheinische Trilogie, 3: Highlander

  1. kreuzbube schreibt:

    Ein Hackenporsche mit Differential wäre wahrlich exklusiv…

  2. kid37 schreibt:

    Stimmt. Deswegen kommt man auch mit so einem „Hackenporsche“ immer so schwer um die Kurve.

  3. kreuzbube schreibt:

    Man muss sich das mal vorstellen: Es ist Sonntagnachmittag und Richard zeigt uns nicht nur seinen Laden und erzählt vom Radsport, sondern bearbeitet Werkstücke, um uns zu zeigen wie seine obskuren Werkzeuge funktionieren.

    Interessant finde ich den Antrieb des Dreirads. Ich hatte ihn nicht danach gefragt, aber es wird wie man hier im Bild sieht, nur das linke Hinterrad angetrieben:

    Ricci Dreirad

    Das rechte Hinterrad rollt nur mit. Es gibt also keine durchgehende Achse, die angetrieben wird und die folglich beide Räder zum Drehen bringt. Der Grund liegt auf der Hand: Man bräuchte sonst ein Differential. Jetzt muss ich kurz erklären, wozu ein Differential da ist. Fährt man um eine Kurve, dann hat das äußere Rad der Achse einen längeren Weg zurückzulegen als das innere. Das innere Rad muss sich folglich langsamer drehen bzw. das äußere schneller. Befänden sich beide Räder an einer angetriebenen Achse, dann müsste diese unterschiedliche Drehzahl ausgeglichen werden. Das bewirkt das Differentialgetriebe.

    Für das Dreirad hat man eine andere Lösung gefunden, aber wie sich fährt, mit nur einem angetriebenen Rad, das weiß ich nicht.

    • prieditis schreibt:

      Ähnlich wie ein Mopped mit Beiwagen.
      Im obigen Beispiel würde das Dingen immer eine kreisähnliche Bahn ziehen ( wie beim paddeln aufm See). Man muss also schön mit dem ganzen Körper arbeiten, um das Rad, in welche Richtung auch immer, zu bewegen.
      In England fuhr man damit Rennen, glaub ich.

  4. kid37 schreibt:

    Menschen, die mit Leidenschaft tun, was sie tun… Man kann sich dem nicht entziehen. Dieses Dreirad sieht interessant aus, „perspektivisch“ habe ich über so was auch mal nachgedacht, falls das mit dem Gleichgewicht mal schwierig wird. Schön, daß es grundsätzlich auch solche Modelle gibt.

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