Los Wochos

Nun also nach den Influenza- die Wellnesswochen mit dem kreuzbuben. Denn es ist ja so, dass sowieso alle schneller sind und weiter fahren als ich. So, wie sowieso immer jemand schneller ist und weiter fährt. Kein Grund, sich deswegen verrückt zu machen. 

kröteNun ist es aber auch so, dass ich hin und wieder und gerne mit anderen fahre, die schneller sind und weiter fahren als ich. Irgendwo muss es also her kommen und wenn der in Betracht kommende Zeitrahmen begrenzt ist und wenn vor allem die Persönlichkeitsstruktur eher auf kurzweiligen Zeitvertreib ausgerichtet ist, dann muss man sich Gedanken machen, wie sich die Zeit ein wenig sinnvoller nutzen lässt, um von der lahmen Kröte zum flinken Frosch zu werden.

Damit stehe ich natürlich in bester Tradition. Die Huschke-Brüder, Adolf und Richard, Radhelden der 20er Jahre, hielten nichts von „langen Wanderfahrten“ im Training. 120 km, so habe ich es von Twobeers erfahren, das war genug, um dann Rennen mit Distanzen von 300 bis 600 km zu fahren und zu gewinnen. Und natürlich Anquetil, der es kategorisch ablehnte, im Training mehr als drei Stunden im Sattel zu sitzen. 120 km waren auch für ihn die Grenze des Zumutbaren, jedoch auch ausreichend, um die 600 km von Paris nach Bordeaux (und fünfmal die Tour de France) zu gewinnen. 

der_besserung

Jedes Jahr ab Anfang März laufen die Dinge bei mir daher völlig anders als während des Rests des Jahres. Für etwa sechs Wochen halten Zahlen Einzug in mein Pedalieren. An dieser Stelle muss ich zunächst einwerfen, dass ich normalerweise nie weiß, wie weit ich tatsächlich gefahren bin, denn ich fahre meist ohne Tacho. Google maps spuckt mir einen ungefähren Anhaltspunkt für meine geplante Strecke aus, aber ob ich die dann wirklich so fahre oder ob ich stattdessen irgendwo abbiege, weil’s da schöner aussieht, ist eine ganz andere Frage. Letztlich ist’s mir egal, ob’s 20 km länger oder kürzer geworden ist und ich rechne das auch nicht nach. Auch weiß ich z. B. von keinem meiner Räder, was es wiegt. Sie scheinen mir nicht übermäßig schwer, genauer habe ich es bislang nie überprüft.  Nicht, dass ich nicht wenigstens neugierig wäre, aber die Neugier reicht nicht aus, mich aufzuraffen und einer Messung näher zu treten.

Die Zahlen des März sind Stunden und Minuten und es sind die meines Herzens und es sind dann schließlich noch die, mit denen sich auch die Mühen von Fön und Staubsauger erfassen lassen. In dieser Zeit diszipliniere ich mich und verfahre nach dem Motto: Wenn Du schneller werden willst, dann fahre langsam.

kreuzbubAbgesehen von den Alltagskilometern steige ich dann dreimal in der Woche aufs Rad. Eine Einheit findet ganz locker nur im Bereich der Grundlagenausdauer statt, bei der ich mich gegen jeden Impuls feie, auch mal aufzudrehen. Da will einer davon ziehen? Gute Fahrt! Ich fahre dann auch nicht länger als vier Stunden. Das reicht völlig aus. Eine weitere Trainingsfahrt dauert dann so in etwa 2 1/2 Stunden und hat -eingepackt in lockeres Ein- und Ausrollen- verschiedene Steigerungsformen zum Inhalt, die je nach Intensität ein paar Sekunden oder ein paar Minuten dauern, bevor wieder eine Erholungsphase angesagt ist. Das orientiert sich an der Herzfrequenz. Ausfahrt Nr. 3 ist simpel: Nach 2o, 25 km des Warmfahrens geht es den Berg hinauf. Einen Kilometer lang zweistellig und immer ein Ritzel schwerer, als ich normalerweise fahren würde.  Das Ganze dreimal, dann rollen wir wieder nach Hause.

Diese Zielgerichtetheit halte ich etwa sechs Wochen lang durch bzw. besser gesagt aus. Effektiver wären drei Monate mit wöchentlich ein bis zwei Einheiten mehr, aber das hier ist nur mein Hobby, das mir Spaß machen soll statt zu einer Pflichtübung zu werden. Also entkoppele ich mich wieder von den Zahlenerfassungsapparaturen und fahre die weiteren Monate ausschließlich nach Lust und Laune.

Doch halt, ein Belastung-EKG steht zuvor noch im Raum. Man fühlt sich ja selbst gerne gut und fit und gesund, aber was will das schon heißen? Niels Albert, unter anderem zweimaliger Cyclocross-Weltmeister, hat in 2014 im Alter von 28 Jahren seine Karriere beenden müssen. Bei einem Routine-Check hatten die Ärzte schwere Herzrhythmusstörungen festgestellt.

Auf die geschilderte Weise sind mir die vergangenen Jahre auf dem Rad gut bekommen und ich konnte auch dann halbwegs mithalten, wenn es schneller oder länger zur Sache ging. 

IMGP0105 KopieP1020254 KopieDoch das steht nicht einmal im Vordergrund. Hauptsache, das Radfahren geht mir etwas leichter von der Hand und ich bin nach Abstellen des Rades noch für andere abendliche Aktivitäten, welcher Art auch immer, zu haben.

Es kann also in den kommenden Wochen etwas langweilig werden hier beim Sender Guter Bubi – vielleicht aber auch nicht… das eine oder andere Unterhaltungsprogramm lässt sich vielleicht doch produzieren.

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15 Antworten zu Los Wochos

  1. crispsanders schreibt:

    Auf mich wartet noch ein Bismarckturm in Wetzlar. Ungewattet. Wenn ich das so lese, kann ich nur mit Reichskanzler 1 mahnend meinen Finger gegen die Verzifferung der Welt erheben: zumindest was den eigenen Körper angeht.

    • kreuzbube schreibt:

      Du lässt Dir von Deinem Tacho die Welt in Ziffern präsentieren. Ich lasse mir einmal im Jahr anzeigen, was mein Herz so treibt. Dieser Tage erst habe ich mit einem Ausdauersporler unterhalten: Marathons, Halbmarathons, 400 km Fahrten mit dem Rad. Vor fünf Jahren dann die Erkenntnis, dass das Herz nicht mehr gesund ist. Nun ist er froh, dass er mit Herzmedikamenten davon gekommen ist statt mit einem Herzschrittmacher. Solche Beispiele gibt es zur Genüge bis hin zu Herzpatienten, denen die Verzifferung des Körpers überhaupt erst ermöglicht, weiterhin -gefahrlos- Sport zu machen. Das geht so weit, dass Leute nach einem Herzinfarkt Sport machen und die ermittelten Daten direkt dem Kardiologen zur Auswertung übertragen werden. Man kann das alles ablehnen, ich finde es prima, dass es solche Möglichkeiten heute gibt.

      ***

      Liebling, mein Herz lässt Dich grüßen

      Gute Leistungsfähigkeit und Beschwerdefreiheit bedeuten nicht zwangsläufig Gesundheit:

      2003 In Dresden erleidet der erst 23 Jahre alte Radrennfahrer Fabrice Salanson einen plötzlichen Herztod und wird tot in seine Bett aufgefunden. Der Rechtsmediziner diagnostiziert einen Sekundenherztod bei Vergrößerung des Herzens mit relativer Minderversorgung der Herzmuskulatur durch die Herzkranzgefäße.

      2007 Kameruns Nationalspieler Marc-Vivien Foé bricht im Halbfinale um den Confederations Cup in Lyon gegen Kolumbien mit Herzversagen zusammen und stirbt wenig später.

      2009 Jarque, der Mannschaftskapitän des spanischen Fussball-Erstligaklubs Espanyol Barcelona, stirbt im Alter von 26 Jahrne an einem Herzinfarkt.

      2009 Der 26-Jährige Mittelstreckenläufer Rene Herms stirbt zu Hause, wenige Stunden nach seinem letzten Trainingslauf, an den Folgen einer Herzmuskelentzündung.

      2010 Der 31 Jahre alte Profi-Radsportler Kim Kirchen, mehrfach Träger des gelben Trikots bei der Tour de France, erleidet einen Herzinfarkt.

      2011 Der japanische Fussballprofi Naoki Matsuda erleidet im Training einen Herzstillstand und stirbt zwei Tage später.

      2012 Der belgische Radprofi Rob Goris erleidet ein Herzinfarkt und stirbt mit 30 Jahren.

      2013 Beim Berliner Halbmarathon sterben zwei Läufer – mit Mitte 20.

      21.02.2015: Die russische Biathletin Alina Jakimkina (21) stirbt beim 15 km Lauf

  2. kid37 schreibt:

    Ich bin in Gedanken bei euch. #Team_immer_mit_der_Ruhe

    • kreuzbube schreibt:

      Oh, ein hashtag! Das rundet die Sache ab. Abgesehen davon bin ich die Ruhe selbst. Ich ziehe das durch, so wie ich derzeit ohnehin so strukturiert und diszipliniert bin, dass es schon nicht mehr schön ist.

  3. carodame schreibt:

    Watt?
    Jungs, macht Euch nicht ins Hemd 😉
    Natürlich, wer sich ausdauernd anstrengen will, wessen Pubertät Dezennien zurück liegt, wer eine viral bedingte Beeinträchtigung mit Ach und Krach gerade überwinden konnte, sollte tatsächlich auf den Beat des Herzchens achten, um mögliche Aussetzer nicht zu verpassen oder immer mit seinem Arzt fahren 😉
    Schöne Woche allerseits und Kette irgendwo.

  4. justbiking schreibt:

    „…Auf dem Rennrad habe ich bis heute noch kein einziges Mal gesessen, das geht erst jetzt wieder los…“
    Na endlich wird er vernünftig! Ein Hoch auf die schmalen Reifen!
    „…ich werde wohl aber erst einmal zwei Wochen brauchen…“
    Ich helfe Dir, versprochen!

    • kreuzbube schreibt:

      Na, ob das kein Eigentor wird… denn Du darfst uns demnächst gerne begleiten auf unserer Tour über die ehemalige Deponie Meckern, da gibt’s nen feinen downhill und man kann so gar ein klein wenig springen, bevor es über die trails am Kulkwitzer im Bogen um die Stadt herum zurück geht… 😉

      In Sichtweite auch der Scherbelberg, hier trefflich besungen mit dem Scherbelbergwalzer.

      „An der Scherbelbergwand/wird’s Dir ganz blümerant“

  5. mark793 schreibt:

    Ich kokettiere ja gerne damit, ich trainiere nicht, ich fahre nur rum. Und manchmal, wie bei der einen oder anderen Wintertrainingsrunde mit deutlich fitteren Leuten, kriege ich vor Augen geführt, dass mein Konzept noch ordentlich Luft nach oben lässt. Andererseits, wenn ich mir Dein Programm für die kommenden Wochen angucke: So viel anders bin ich in den letzten Monaten gar nicht unterwegs gewesen, davon abgesehen, dass ich es nicht in jeder Woche dreimal auf den Sattel schaffte. Deine Trainingseinheit 1 entspreicht etwa meinem winterlichen Rumgegondel ohne jede Tempoambition, meine Runde auf die Halde mit dreimal rauf und runter entspricht ziemlich genau Deiner Einheit 2, und Intervalle gibt es auf gelegentlichen Hügelrunden rund ums Neandertal.

    Aber wahrscheinlich hat mein langstreckenerprobter Bekannter aus Neuss doch recht, wenn er sagt, für nennenswerte weitere Formsteigerungen müsste ich konsequent nach Puls und Watt trainieren. Voll das Dilemma…

    • kreuzbube schreibt:

      Zur Vermeidung von Missverständnissen: Ich habe keine Kurbel zur Messung der Wattzahlen, die ist mir schlicht zu teuer. Die erwähnten Wattzahlen kommen dann beim Belastung-EKG ins Spiel, auf dem Ergometer. Da wird die Belastung schrittweise erhöht.

      Die Sportler wiederum sind heute völlig daran orientiert. Die ermitteln die Wattzahl pro Körpergewicht, die sie über eine Referenzen von einer halben Stunde treten. Ein Profi muss da mit weniger als 6 Watt pro Kg Körpergewicht gar nicht antreten.

      • Twobeers schreibt:

        Ich schaffe auch 6Watt pro kg von -sagen wir mal- Brice Feillu oder Michael Rasmussen. Dann bleiben noch 3-4 Watt für meinen Körper übrig….

      • mark793 schreibt:

        Das habe ich mir schon gedacht, dass Du nicht mit Powermeterkurbel unterwegs bist. Mein hiesiger Bekannter übrigens auch nicht, aber im Technik-Ressort einer überregionalen Tageszeitung wurde das schon als must-have deklariert, wennman wirklich wissen wolle, wo man steht. Ich hatte kurz darauf, als ich meinen FAZ-Blogbeitrag über smartes biken schrieb, über einen richtungsweisenden Fred-Index nachgedacht, der gefahrene Geschwindigkeit mit Pulswerten und getretenen Watt (und natürlich dem Streckenprofil, den Wetterbedingungen, dem Körpergewicht und dem Chromosomensatz) kombiniert, dann dachte ich, lass mal lieber, nachher inspiriert das irgendwelche Zahlenfreaks dazu, das tatsächlich so oder so ähnlich umzusetzen.

      • kreuzbube schreibt:

        Dura Ace SRM Kurbel: ab 2500.- EUR.

        Unabhängig vom Preis würde mir das nicht viel bringen. Ich will ja fortan nur ein wenig entspannter unterwegs sein, anschließend noch mit dem Hund spazieren gehen und vielleicht abends einen Theater- oder Restaurantbesuch dranhängen. Ich mache Los Wochos jetzt seit 2012 und das bekommt mir gut.

    • kreuzbube schreibt:

      Oh, da müsste ich jetzt aber… mit dem Taschenrechner…

      Marco Pantani: 7,2! Auf der Alpe D`Huez Etappe. (Der Italiener im Café vor der Bürotür ruft mir immer zu, wenn ich noch kurz auf einen Espresso vor dem Start halte: „Wie die Marco Panatani!“)

      Heute gibt’s für so etwas AICAR. Das macht richtig dünn und man wird ohne mehr zu trainieren viel schneller.

  6. Twobeers schreibt:

    So viel Disziplin und Pflichtbewusstsein hätte ich auch gern. Ich hatte dieses Jahr erst 2 längere Ausfahrten, das muss sich ändern….

    • kreuzbube schreibt:

      Kilometermäßig längere Ausfahrten habe ich dieses Jahr noch keine einzige gemacht. Ich bin im Winterhalbjahr ja mit Crosser und MTB unterwegs. Hohe Belastung und lange Dauer beißen sich, zumindest im Winter. Auf dem Rennrad habe ich bis heute noch kein einziges Mal gesessen, das geht erst jetzt wieder los. Ich werde wohl aber erst einmal zwei Wochen brauchen, um mir die Erkältungsfolgen aus dem Leib zu radeln.

      Und was soll ich machen? Wenn ich mich nicht in einen ordentlichen Zustand bringe, dann bin ich hinterher fix und alle, wenn ihr mich aus dem Sattel fahrt…

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