Es lebe der Sport, 2

Es wirkt a jede Sportart mit der Zeit a bisserl öd
Wenn es an Härte föht

Trimm dich fit! hieß es früher in Deutschland-West. Im Wald wurden sogenannte Trimm-dich-Pfade angelegt, die lief man auf gedämpftem Waldboden im Dauerlauf entlang und unterwegs absolvierte man an einer Reihe von Stationen Turn-, Geschicklichkeits- und Kräftigungsübungen. Solcherart an der frischen Luft ertüchtigt, begab man sich an den sonntäglichen Frühstückstisch, wo der Sportteil der Tageszeitung durchblättert wurde. Alles in allem war das eine recht beschauliche Sache, frei von allzu großer Ernsthaftigkeit, symbolisiert durch Trimmy, das Maskottchen in kurzer Hose, Unterhemd und mit nach oben gerecktem Daumen. Nicht nur zeitlich, sondern auch zeitgeistlich war es bei mir tief in Vergessenheit geraten.

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Die Stiftung Deutsche Sporthilfe hat eine soeben veröffentlichte Studie („Dysfunktionen des Spitzensports“) erstellt und zu diesem Zweck mehr als 1000 Leistungssportler befragt. Die von der deutschen Sporthilfe geförderten Sportler wurden zu Ihrer Haltung zu Dopingmitteln und zu Manipulationen von Wettkämpfen ebenso befragt wie nach ihren eigenen Verhaltensweisen. Gegenstand der Befragung waren auch psychische Erkrankungen der Sportler und die Frage, worauf sie diese zurückführen. Ein jeweils signifikanter Anteil der Sportler ließ einzelne Fragen offen, ohne sie zu bejahen oder zu verneinen.

DSC_0578_sm5,9 Prozent von 1150 Sportlerinnen und Sportlern, welche die Stiftung Deutsche Sporthilfe fördert, haben bei einer anonymen Befragung angegeben, regelmäßig zu Doping-Mitteln zu greifen. 40,7 Prozent beantworten die Frage nicht [] An Absprachen über den Ausgang von Spielen oder Wettkämpfen waren nach eigenen Angaben schon 8,7 Prozent beteiligt; zusätzliche 37,2 Prozent antworten auf die Frage danach nicht mit Nein.

9,3 Prozent gaben Depressionen an, 9,6 Prozent Essstörungen, 11,6 Prozent ein Burn-out-Syndrom. Auch dies wird ergänzt um jeweils rund vierzig Prozent, die keine Antwort gaben.

Mehr als jeder zehnte Athlet räumt ein, regelmäßig Schmerzmittel einzunehmen (keine Antwort: 37,8 Prozent)

40,5 Prozent stimmten der These zu, dass sie gesundheitliche Risiken bewusst in Kauf nähmen.

(Alle Zitate aus der FAZ)

Auch mit den Gründen für das Verhalten der Sportler beschäftigt sich die Deutsche Sporthilfe:

[…] nannten 88,6 % den Erfolgsdruck als eine mögliche Ursache. Der Druck im Umfeld des Athleten wurde von 79,8 % der Athleten als Grund erwähnt. Zwei Drittel der Athleten (69,8 %) sehen in dem Streben nach Anerkennung der Sportler einen weiteren möglichen Grund für Fehlverhalten. Existenzangst (57,7 %) und Profitgier (55,5 %) sind ebenfalls wesentliche Faktoren in diesem Zusammenhang.

Die Studie greift die Ergebnisse weiterer Untersuchungen auf, die sich nicht nur mit den geförderten Leistungssportlern befassen. Erneut verwundert es nicht, dass es unter den Freizeitsportlern nicht viel anders aussieht:

Die Einnahme von Schmerzmitteln scheint auch unter Breitensportlern weit verbreitet. So wurde festgestellt, dass mehr als 60 % der Teilnehmer eines Marathonlaufs vor dem Wettkampf Schmerzmittel einnehmen.

DSC_0577_smJüngst hat (momentan kommt einer nach dem anderen aus der Deckung) der dreimalige niederländische Meister und Tour-de-France-Etappensieger Boogerd eingeräumt, während seiner gesamten Karriere als Radsportler mit Kortison und EPO gedopt zu haben. Sonderlich problematisch sieht Boogerd das nach wie vor nicht: „Ich habe nichts riskiert und mit mäßigem Gebrauch dafür gesorgt, dass ich nie Grenzwerte überschritten habe“, so Boogerd.

Die Freizeitsportler wiederum haben kein Problem mit den Dopingsünden der Spitzensportler, sondern sind eifrig bemüht, möglichst nah an sie heran zu rücken. Der Leiter des Leipziger Radrennens „Neuseenclassics“ verkündete vor kurzem in der Leipziger Volkszeitung, dass der Andrang beim Jedermannrennen ungebrochen sei: Die Hobbysportler würden „immer fanatischer“.

Trimmy würde wohl den Daumen senken.

Zum Abschluss eine kleine Anekdote. kreuzbube und carodame, die in den Augen von Freunden und Bekannten viel Rad fahren, wurden neulich von einer Freundin gefragt: „Ihr nehmt doch aber nichts?“

Es lebe der Sport
Er ist gesund und macht uns hort
Er gibt uns Kraft, er gibt uns Schwung
Er ist beliebt bei oid und jung (
Reinhard Fendrich, Es lebe der Sport)
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12 Antworten zu Es lebe der Sport, 2

  1. kreuzbube schreibt:

    Einen Toten gab es am vergangenen Wochenende beim Berliner Halbmarathon. Kurz vor dem Ziel kollabierten zwei Läufer. Während durch Reanimierungsbemühungen der einen von beiden gerettet werden konnte, starb der andere. Er wurde 24 Jahre alt.

  2. prieditis schreibt:

    @mark:
    Eben darum ja auch „durch“ und nicht „über“ ;o)

  3. prieditis schreibt:

    Frank Elstner im Trainigsanzug und Puls 130 –
    daran erinnere ich mich.

    Und Wandertage der Grundschule (da wanderte man mit der Mundorgel bewaffnet durch die Süchtelner Höhen – am Bismarckturm vorbei) und der Lehrkörper ließ einen die Übungen machen… toll, wenn man den Tag verpeilt hatte und ohne Wasser unterwegs war. Aber, hey, getrunken wurde sowieso erst NACH der Veranstaltung…

    • kreuzbube schreibt:

      @mark793: Vereinzelt entdeckt man die Trimm Dich-Pfade wohl wieder, natürlich modernisiert. Für jene, denen Joggen zu langweilig ist und die lieber an der frischen Luft sind, als im Fitnessstudio.

      Ich weiss nicht, wie ich das als Erwachsener empfunden hätte, aber als kleiner Steppke fand ich das scheinbar prima, ich habe keine schlechten Erinnerungen daran.

      Dazu passt, dass man damals, wenn auch nur kurz, einen Bundeskanzler hatte, der schon mal so aussah.

      … und jetzt geht es los, mit dem Drahtesel eins der 100 Felder der Trimm-Spirale füllen.

      • mark793 schreibt:

        Tante Gu lehrte mich gestern noch vor dem Zubettgehen, dass in Mannheim-Nord anno 2009 wieder ein Trimmdich-Pfad aufgebaut wurde. Das spricht für ein Revival.

        @prieditis: Die Süchtelner Höhen kenne ich vom Radeln. Höhenmeter sind da rare Ware. 😉

  4. carodame schreibt:

    „Jedermann an jedem Ort einmal in der Woche Sport.“ so schallte es durch alle Flure oestlicher Produktivitaet – wohl schon seit Beginn der Sechziger. Da wurden BSG( Betriebssportgemeinschaften) gegruendet, diese waren auch frei von Mittelchen. Ausser Stuetzbier und Torte fuer die „Grossen“…

    • mark793 schreibt:

      Zum westlichen Trimm-Dich-Kult gehörte übrigens eine Trimm-Spirale. Weiß nicht mehr genau, was man alles absolvieren musste, um das Heftchen vollzukriegen, aber ich versichere hiermit an Eides statt, dass ich dazu keinerlei unerlaubter Hilfsmittel bedurfte.

      • kreuzbube schreibt:

        Unglaublich! Die Trimm-Spirale! An die hätte ich mich nie und nimmer erinnert, hättest Du sie nicht erwähnt. Auch jetzt, in diesem Moment, dämmert es mir nur ganz langsam, ich sehe sie sozusagen nur durch einen Schleier vor mir, der noch zerrissen werden will.

        Das ist alles hochinteressant, weil die Trimm Dich-Bewegung (in meiner Erinnerung) damals so freundlich-fröhlich und ohne Anflüge übermäßigen Ernstes gestaltet wurde. Dazu passte auch der Olympia-Waldi.

      • mark793 schreibt:

        Das ist witzig, denn ohne Deinen Beitrag wäre mir diese Spirale wohl auch nicht mehr in den Sinn gekommen. Ich las und hatte dann plötzlich so ein Kärtchen oder Heftchen mit spiralförmig angeordneten Kästchen vor Augen, musste dann aber auch Tante Gu bemühen, um mir zu vergegenwärtigen, was genau es damit auf sich hatte.

        Der hiesige Trimmdich-Pfad im Grafenberger Wald ist übrigens noch recht gut in Schuss. Ob der im Naherholungsgebiet meiner Heimatstadt noch existiert, wüßte ich aus dem Stand gar nicht zu sagen. Im Rückblick denke ich aber schon, dass diese Mobilisierungskampagne nicht völlig wirkunglos blieb, auch in den späten Siebzigern trafen sich Sonntagmorgens immer noch Grüppchen zum Waldlauf.

  5. prieditis schreibt:

    und Blattgold!

    Damit das eine runde Sache wird, gibt es zum Start eine Zündkerze „Danziger Goldwasser“ hihi

  6. kreuzbube schreibt:

    Ja, das war ein denkwürdiger Moment.
    „Die Torte ist ganz hart, die ist noch gefroren.“
    „Nein, die ist nicht gefroren, das ist die Butter“

    Bei der rheinischen Sommer-RTF werde ich mit Currywurst und Fritten rot-weiß (wir wollen es nicht übertreiben und die Grenzwerte einhalten) dopen.

  7. prieditis schreibt:

    Ich kann bestätigen, daß der kreuzbube nur Buttercreme-Mohn-Ziegelsteine einnimmt.

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